Leopold-Hoesch-Museum

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Blank. Raw. Illegible… Artists’ Books as Statements (1960-2022)
14.05.2023 - 03.09.2023

Ausstellung

Beschreibung

Die von Moritz Küng kuratierte Ausstellung „Blank. Raw. Illegible… Artists’ Books as Statements (1960-2022)“ am Leopold-Hoesch-Museum widmet sich dem Blankobuch als künstlerisches Medium. In der Ausstellung werden 259 Künstler*innenbücher von über 200 internationalen Autor*innen aus 30 Ländern vorgestellt, die sich insofern fundamental von unseren Erwartungen an ein Buch unterscheiden, als ihre Seiten leer sind. Sie sind weiß, unbedruckt, roh, in anderen Fällen unleserlich oder tatsächlich unsichtbar, verschlossen, unsinnig oder mysteriös. Jedoch sind sie nie inhaltslos. Mit „Blank. Raw. Illegible… Artists’ Books as Statements (1960-2022)“ gibt der Kurator, Herausgeber und Sammler Moritz Küng den bislang umfassendsten Überblick über dieses seit den 1960er Jahren international verbreitete Phänomen.

Künstler*innenbücher und Buchobjekte sind schon seit Jahrzehnten Teil der Sammlungen des Leopold-Hoesch-Museums und des Papiermuseums Düren. Über die Reflexion der Materialität von Papier und dessen Produktionsprozessen hinaus geht es in beiden Museen oft um die Frage, wie Papiermedien – auch Bücher – unsere Gesellschaft prägen. In diesem Sinne verteidigt „Blank. Raw. Illegible… Artists’ Books as Statements (1960-2022)“ sowohl in Form der Ausstellung als auch in der des begleitenden Katalogs die Bedeutung von Druckmedien. Die Leere der hier vorgestellten Bücher vergegenwärtigt ihr Buch-Sein, ihre Medialität. Ihre Form und Gestaltung, etwa das Papier, die Farbe der Seiten oder die Liniatur, erscheinen nicht mehr selbstverständlich, sondern bedeutsam. Die unbedruckten Seiten eines Buches verweisen auf den Text und die Bilder, die man für gewöhnlich dort findet, die hier aber fehlen. Sie fragen nach dem Verhältnis von Sprache und Text, von Imagination und Bild. In den ausgestellten Büchern geht es um leere Worte, darum, was ohne Worte gesagt werden kann, aber auch um die Polarität von Redefreiheit und Zensur.

Die Anzahl der 259 ausgestellten Künstler*innenbücher nimmt Bezug auf die legendäre, von Germano Celant und Lynda Morris kuratierte Ausstellung „Book as Artwork 1960/72“, eine der ersten großen Ausstellungen über das Phänomen des Künstlerbuchs, die 1972 in London zu sehen war.

Beginnend mit mehreren Büchern des Künstlers herman de vries mit ausschließlich weißen Seiten kann „Blank. Raw. Illegible… Artists’ Books as Statements (1960-2022)“ auch selbst als eine Ausstellung über die Geschichte des Künstlerbuchs verstanden werden, die anhand des Blankobuchs erzählt wird. Die Ausstellung versammelt Objekte zahlreicher Künstler*innen und Autor*innen, die die Geschichte des Künstler*innenbuchs geprägt haben. Auch von den jüngeren Publikationen beziehen sich einige auf Referenzwerke von Künstler*innen wie Michael Asher (US, 1943–2012), Robert Barry (US, 1936), Luciano Bartolini (IT, 1948-1994), Irma Blank (DE,1934-2023), George Brecht (US, 1926-2008), Marcel Broodthaers (BE, 1924-1976), stanley brouwn (GB/NL, 1935-2017), James Lee Byars (US, 1932-1997), Ulises Carrión (MX/NL,1941-1989), herman de vries (NL, 1931), Heinz Gappmayr (AT, 1925-2010), Michael Gibbs (GB, 1949-2009), Martin Kippenberger (DE, 1953-1997), Sol LeWitt (US, 1928-2007), George Maciunas (LTU/US, 1931-1978), Piero Manzoni (IT, 1933-1963), John McDowall (GB, 1953), François Morellet (FR, 1926-2016), Dieter Roth (CH/DE 1930-1998), Allen Ruppersberg (US, 1944), Ed Ruscha (US, 1937), Endre Tot (HU, 1937), Jirí Valoch (CZ, 1946) und Ian Wilson (ZA/US, 1940-2020) und Heimo Zobernig (AT,1958).

Neben historischen Werken hat Moritz Küng aber auch zahlreiche Publikationen folgender Generationen der internationalen Konzeptkunst zusammengetragen, mit Vertreter*innen wie beispielsweise Ignasi Aballi (ES, 1958), Fiona Banner (GB, 1966), Olafur Eliasson (DK, 1967), Hans-Peter Feldmann (DE, 1941), Dora García (ES, 1965), Kendell Geers (ZA, 1968), Micah Lexier (CA, 1960), Olaf Nicolai (DE, 1962), Jonathan Monk (GB, 1969), Karin Sander (DE, 1957), Klaus Scherübel (AT, 1968), Simon Starling (GB, 1967), Heimo Zobernig (AT, 1958), aber auch Bücher, die erst in den letzten Jahren entstanden sind, von Künstler*innen wie Inaki Bonillas (MX, 1981), Stefan Brüggemann (MX, 1975), Jason Fulford (US, 1973) & Tamar Shopsin (US, 1979), Sara MacKillop (GB, 1973), Julien Nedelec (FR, 1982), von Autor*innen aus dem Bereich des Comics wie Alexis Beauclair (FR, 1986), Ilan Manouach (GR, 1980), Francesco Ruiz (ES,1971) oder außergewöhnlichen Grafikdesinger*innen wie Paul Elliman (GB, 1961), Experimental Jetset (Kollektiv, NL), Jürg Lehni (CH, 1978) und Alex Rich (GB, 1977), Colin Sackett (GB, 1958) und vielen anderen.

Beim Betreten der Ausstellung mag den Besucher*innen eine gewisse Sprachlosigkeit angesichts des hier gesammelten Schweigens ergreifen. Aber beim Betrachten der einzelnen Bücher wird man sich schnell in der Vielfalt der Gestaltungsformen, der Konzepte und Erzählungen verlieren. Die Ausstellung ist nach verschiedenen Aspekten in 15 Kapitel unterteilt. Die Namen der Kapitel greifen jeweils einen Buchtitel eines Exponats aus dem entsprechenden Kapitel auf.

Eine Vielzahl der ausgestellten Bücher lädt dazu ein, über die Funktionsweise von Büchern nachzudenken, wie beispielsweise George Brechts (US, 1926-2008) „Book” (Köln, 1972), in dem Text nur dafür genutzt wird, die Funktionen der verschiedenen Teile des Buchs zu benennen. So ist auf dem Umschlag des Buchs zu lesen: “THIS IS THE COVER OF THE BOOK.” Marianna Castillo Deballs (MX, 1975) „Never Odd or Even“ (Frankfurt, 2005, Berlin, 2011) besteht ausschließlich aus den Schutzhüllen nicht publizierter Bücher, die sich Künstlerkolleg*innen erdacht haben. Sie verweist auf das Versprechen, das Buchtitel bergen, auf den Vorstellungsraum, den sie eröffnen. Christiaan Wikkerinks (NL, 1977) „Conceptual Art for Dummies“ (Enschede, 2011) hingegen, das als leeres Lehrbuch daherkommt, macht sich charmant über die Konzeptkunst und die Idee der Dematerialisierung des Kunstwerks lustig, die vielen der ausgestellten Arbeiten zugrunde liegt.

Zahlreiche Bücher in der Ausstellung entziehen sich dem Gebrauch, indem sie entweder gar nicht zu öffnen sind, wie beispielsweise Timm Ulrichs (DE, 1940) „Dem Leser den Rücken zukehrend“ (Hannover, 1970/76), oder indem der Text unleserlich gemacht wurde. Oriol Vilanova (ES, 1980) kratzte beispielsweise für sein Projekt „Point of No Return“ (2011) den Text von Guy Debords französischer Erstausgabe „Gesellschaft des Spektakels“ (1967) mit einer Rasierklinge weg. In Dora Garcías (ES, 1965) Publikation „Fahrenheit 451“ (Brüssel, 2000, 2004) ist der gleichnamige Roman von Ray Bradbury spiegelverkehrt abgedruckt, sodass sich der Text zunächst der Lesbarkeit entzieht. Ray Bradburys Roman ist ein eigenes Kapitel der Ausstellung gewidmet: „Fahrenheit 451“ erzählt die Geschichte von Guy Montag, einem Feuerwehrmann, der im Dienst der staatlichen Zensur eines dystopischen Staates Bücher verbrennt. Die Handlung wendet sich, als Montag flieht, um sich einer Gruppe von Menschen anzuschließen, die Bücher auswendig lernt, um sie vor der Zerstörung zu schützen. Die Choreographin Mette Edvardsen (NO, 1970) greift diese Idee auf, und übt mit Performer*innen und Tänzer*innen Bücher ein. Die auswendig gelernte Version wird dann später wieder aufgeschrieben und in der erinnerten Form veröffentlicht. Fiona Banner (GB, 1966) ließ sich im Rahmen ihres Projekts „Portrait of the Artist as a Publication, ISBN 0-9548366-7-7“ (2009), das sie unter dem Pseudonym The Vanity Press veröffentlichte, eine eigene ISBN-Nummer in den Rücken tätowieren. Auch in diesem Fall geht es um die Idee, ein Buch zu inkorporieren. Gleichzeitig fragt die Arbeit aber auch nach Identität und Differenz von Künstler*in und Werk.

Einige der ausgestellten Bücher können als Kommentare zu konkreten politischen Situationen verstanden werden; beispielsweise veröffentlichte Endre Tot, der bis 1978 im kommunistischen Ungarn lebte, das Buch „Nullified Dialogue“ (Bern, Artists’ Press Hinwill, Zürich, Edition Howeg, 1974), in dem er nur mit den Schreibmaschinen-Tasten 0 und O arbeitete, um dem Totalitarismus und der Zensur in Ungarn ein Bild zu geben. Eine andere Publikation wurde hingegen selbst Opfer der Zensur: Nämlich das vom Autor und Psychiater Sergio Pesutic (CL, 1949) erstmals 1986 in Chile unter Pinochet veröffentlichte Buch mit dem absichtlich fehlerhaften Titel „La Hinteligencia Militar“ (Santiago de Chile, 1990). Die Distribution des Buchs wurde verhindert, sobald es veröffentlicht war, obwohl darin kein einziges Wort zu lesen war.

Je mehr der ausgestellten Künstler*innenbücher man anschaut, desto mehr stellt sich die Frage, ob ein leeres Buch wirklich leer sein kann. Sind herman de vries’ (NL, 1931) Bücher mit weißen Seiten leer? Er selbst hebt die „everywhereness“ der Farbe Weiß heraus. Demgegenüber ist Pierre Bismuths (FR, 1963) „Various colors in black and white“ (Paris: onestarpress, 2005) mit grauen Seiten gefüllt. Es sind die Grauwerte von 138 verschiedenen Pantone-Farben. Aber ist ein Buch mit monochromen Seiten leer? Ist die farbige Seite eine leere Seite oder eine Darstellung von etwas? Und ist, wenn man es recht überlegt, nicht Roberto Equisoians (ES, 1973) Buch „Bla Bla-bla-bla“ (Bilbao: Belleza Infinta, 2013), das auf Kafkas „Die Verwandlung“ beruht und mit den Worten „blablabla“ bis auf die letzte Seite gefüllt ist, nicht vielleicht das leerste Buch der ganzen Ausstellung?

Link zur Ausstellung:

www.museum-dueren.de

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